Dienstag, 16. Dezember 2008
Irreführender Klappentext (Capra: Ist das Leben nicht schön? (1947))
Gestern abend Capras "Ist das Leben nicht schön?" gesehen, ein Film, der im Klappentext der DVD als schönster Weihnachtsfilm aller Zeiten apostrophiert wird. Es geht da nämlich um einen George Bailey (James Stewart), der gerade beschlossen hat, seinem Leben ein Ende zu setzen, nachdem alles schief gelaufen ist mit seinen finanziellen Unternehmungen, und bereits auf der Brücke steht, als ein weihnachtliches Wunder geschieht.
Mit dieser Inhaltsangabe dachte ich, dass alles, was bis zum AufderBrückestehen passiert, Vorgeschichte ist. Die Vorgeschichte macht aber etwa 3/4 des zweistündigen Films aus. Wir sehen nämlich in aller Ausführlichkeit, was für ein guter Mensch Bailey ist, und wie er gegen den hartherzigen Kapitalismus des Mr. Potter anarbeitet, immer zugunsten der Besitzlosen, sich selbst dabei mit einem Hungerlohn abspeisend. Immerhin bekommt er das hübscheste Mädchen ab, und auch schon nach der Hälfte des Films.
Nach drei Vierteln springt er dann von der Brücke (am 24. Dezember!), aber um Clarence zu retten. Clarence ist ein Engel, der reingesprungen ist, um eben sich retten zu lassen: dann kann er Bailey in einen Diskurs darüber verwickeln, ob er nicht lieber leben bleiben möchte. Das tut er, indem er Bailey zeigt, was wäre, hätte er nicht gelebt. Das sind dann so einfache entweder-oder-Dinge. Hätte Bailey nicht gelebt, wäre sein Bruder mit 9 Jahren im Eiswasser ertrunken (haben wir natürlich in den ersten drei Vierteln des Films gesehen). Hätte er nicht gelebt, würde die Stadt Mr. Potter gehören. (Fehler des Films: dass der "nicht existierende" Bailey doch Leute ansprechen und berühren kann und daher sich für wahnsinnig hält, weil ihn niemand kennt.)
Die Moral ist dann ganz einfach: der selbstlose Bailey wird am Ende von allen gerettet, denen er fortwährend im Leben gutes getan hat: das Weihnachtswunder. Seine Malaise besteht darin, dass sein Angestellter Geld verbummelt hat, das zufällig der größte Bösewicht des Films gefunden und behalten hat: Mr. Potter, der Erzkapitalist. Am Ende kommen alle Freunde und spenden Geld, und das reicht, um über den Verlust hinwegzukommen. Alle stehen um den Weihnachtsbaum. Abspann.
Mr. Potters Schandtat bleibt ungesühnt. Da sträubt sich doch mein hollywoodgeschultes Gerechtigkeitsempfinden. Wäre das zu viel des Wunders gewesen?

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